Meine Lady ist keine Domina

Als meine Freundin nach 10 gemeinsamen Jahren meinte, dass ihr die Idee mit der FLR Beziehung gut gefällt, dachte ich, nun würden all meine Wünsche wahr werden. Mein Kopfkino kannte nicht den Unterschied zwischen einer FLR Beziehung und einer BDSM- oder Femdombeziehung. Wobei nicht kennen vielleicht der falsche Ausdruck war, vermutlich wollte er ihn nicht kennen, nicht richtig lesen, nicht richtig zuhören. 10 Jahre unserer Beziehung haben wir irgendwie versucht das Thema BDSM und D/s in unser Leben zu integrieren und scheiterten. Der Ablauf war eigentlich immer gleich – Mann war unzufrieden, zu wenig Sex – zu wenig aufregender, spielerischer Sex. Dabei war mein Kopf voller Ideen, wie man das Thema in die Beziehung integrieren hätte können, eigentlich doch eine win-win Situation. Sie müsste dazu nur…

Wir kommunizierten in den Jahren viel über das Thema, beschlossen alles nun anders zu machen und starteten voller Ideen und saßen nach Wochen wieder zusammen auf dem Sofa und es flossen so einige Tränen, weil wir in unserer perfekten Beziehung dieses eine Thema hatten, welches zu Unzufriedenheit führte.

Nun, nach all den Jahren meinte diese Freundin, dass ihr das mit FLR gefällt – wir hatten zu dem Zeitpunkt das Buch von Lillith van Leuwen gemeinsam gelesen (Anmerkung Redaktion: „FLR: …Ich möchte dich auf Händen tragen“*). Mein Kopfkino machte Purzelbäume und ich besorgte weitere Literatur, die wir uns gemeinsam angeschaut und durchgelesen haben.
Voller Tatendrang starteten wir also in das Abenteuer FLR. Ich dachte mir Regeln aus, schrieb diese nieder und wir schrieben einen Vertrag und schon war ich Ihr Sub und Sie meine Lady. So in etwa für drei Wochen, dann ging es irgendwie verloren, die Regeln waren nur noch Worte auf einem Stück Papier und unser Alltag eigentlich nicht viel anders als zuvor – und ich meckerte immer noch über Sex und gab ihr Ratschläge, was sie denn bitte alles anders machen soll.

Ich merkte dies damals gar nicht – mein Kopf war voller Ideen und es fühlte sich alles so leicht und logisch an und ich fragte mich immer wieder, warum meine Lady mich nicht verstand.
Was ich damals tat, war etwas, das man „Topping from the bottom“ (mehr dazu auch hier: Wenn der sub die Regeln macht) nennt und unsere Beziehung hatte mit FLR eigentlich nichts gemein. Ich erwartete eine Domina, die sich den ganzen Tag dominant verhält, kleidet und mich 24/7 bespielt. Jenes war aber nicht die Vorstellung, die meine Lady hatte, als sie von FLR gesprochen hat.

Führen, bestimmen, verehrt und umsorgt werden – waren NICHT die Attribute, welche sie damals als Bestandteil unserer Beziehung genannt hätte.

Ich komme hier in meinem eigenen Text schlechter rüber, als es in Wahrheit war und trotzdem muss ich meiner Lady danken, dass sie die Jahre damals überhaupt mit mir ausgehalten hat. Ich war faul, ließ mich bedienen und meine Lady kümmerte sich um den ganzen Haushalt und ich forderte im Ende noch Sex. Wie oft stellte ich in Frage, ob diese Frau überhaupt dominant sein konnte. Dann kam es zu verschiedenen Ereignissen, die unser gemeinsames Leben veränderten und eine FLR überhaupt erst möglich gemacht haben.

Irgendwann sehr betrunken, zusammen mit Freunden beschwerte sie sich massiv über meine Faulheit und meine Erwartungshaltung, dass sie alles im Haushalt macht. Ich hatte mir da gar nicht so richtig Gedanken zu gemacht, ich bin so aufgewachsen. Meine Mutter hat sich um alles gekümmert und mein Vater hat nicht viel getan und ich musste als Sohn auch nichts machen.
Als meine Freundin sich also über mein Verhalten beschwerte, war ich zuerst sauer und stellte dann später fest, dass es genau so war. Ich verlangte und erwartete und gab eigentlich nichts dafür.
In meinen Gedankenstrukturen war ich submissiv und im Beziehungsalltag war ich immer submissiv. Ich brauchte Absolution, bevor ich etwas entschieden habe, überlegte bei der Frage danach, wie wir den Tag verbringen wollen nicht, was ich wollte, sondern was wohl meine Freundin machen wollen würde. Das Problem damals lag nicht bei mir alleine, meine Freundin hatte nie in ihrem Leben geführt und bestimmt, sie hat auch nicht auf den Tisch gehauen und mir erklärt, dass mein Verhalten unangemessen und schlecht war – sie hat sich innerlich geärgert, aber ließ mich gewähren.

Diese Erkenntnis kam spät, aber nicht zu spät. Ich habe versucht ihr zu erklären, wie ich FLR leben möchte, ich habe Regeln geschrieben und ich habe ihr gesagt, was sie tun soll. Das war der grundsätzliche Fehler. Nachdem ich damit aufgehört hatte, wurde alles anders – nicht von einem Tag auf den anderen, sondern ganz langsam, ganz subtil, ganz schleichend.

Meine Lady ist keine Domina die verlangt, die ihren Weg aktiv durchprügelt, die mich zu ihrem Sub trainiert. Meine Lady erwartet.

Als ich begonnen habe mein Verhalten zu verändern, hat sie ebenfalls angefangen Ihr Verhalten zu verändern. Ich habe losgelassen, ich habe mich – so gut es ging – frei gemacht von meinem Kopfkino und habe angefangen meiner Lady besser zuzuhören.

Unsere Regeln waren damals längst nicht mehr wirklich aktuell und aktiv, aber ich wusste, dass sie darauf steht, wenn ich mich unterwürfig verhielt. Es erregte sie und wir hatten plötzlich mehr Sex als je zuvor. Mit der Zeit wurde aus dieser freiwilligen Unterwerfung dann wieder Regeln. Meine Lady bestraft mich bis heute nicht mit Schlägen oder physischen Qualen, dafür viel nachhaltiger und subtiler. Wenn ich mich nicht an unsere Regeln halte, dann spüre ich das sofort – es sind nur Nuancen in ihrem Verhalten, die mir zeigen, dass sie enttäuscht oder sauer ist. Sie redet anders, verhält sich anders und ist weniger aufmerksam – bis ich zu ihr gekrochen komme und mich bei ihr entschuldige. Vor kurzem hatten wir Besuch und ich bin ihr morgens unerlaubter Weise mit meiner Hand an den Hintern gegangen – dies sehr bewusst. Meine Lady hat es bemerkt, hat mich gefragt, was mir einfällt, aber keine weitere Strafe dafür gehabt. Am Abend wurde essen bestellt – meine Lady bestellt für mich, nicht weil das bei uns so Regel ist, sondern weil ich zur Bestellung nicht dabei war. Sie bestellt mir ein recht scharfes Essen, mit dem Wissen, dass ich scharf nicht mag und sich selbst ein mildes Essen. Als wir beim Essen waren und ich feststellte, dass mein Essen meiner Meinung nach ungenießbar war, bot sie mir nicht an das Essen mit ihrem zu tauschen (sie mag scharf gerne) und teilte mir mit, dass ich jetzt ohne Kommentar mein Essen aufzuessen habe.

Sie wurde nicht laut, sie wurde nicht „dominant“, sie wurde nur bestimmend.

Ein weiterer Punkt, der unsere Beziehung verändert hat, war eine Aussage von meiner Lady, die lautete, dass ich nur das bekomme, was ich verdient habe und gemeint war ihre Dominanz.
Damit meinte sie nicht, dass sie weniger dominant ist, wenn ich mich brav verhalte, sondern genau das Gegenteil. Meine Aufgabe in unserer FLR ist es, dass ich mich submissiv verhalte, sie fordert dies nicht ein, sie erwartet dies von mir. Meine Belohnung für mein unterwürfiges Verhalten ist ihre Dominanz. Ich muss mir folglich ihre Dominanz verdienen.
Ich wünsche mir die dominante Frau an meiner Seite, aber sie hat keine Lust auf Machtspielchen, sie möchte nicht mit mir darum kämpfen oder diskutieren. Sie will mich auch nicht verprügeln, um ihren Willen zu bekommen – sie erwartet, dass ich mich ihr gegenüber vollkommen selbstlos und unterwürfig verhalte.

FLR ist nicht die Erfüllung meiner Wünsche, sondern die Erfüllung der Wünsche meiner Lady und der grundlegende Wunsch dabei ist es, dass ich mich ihr unterwerfe, weil ich es will!

Seit wir so leben, hat sich einiges entwickelt und getan in unserer Beziehung.
Meine Lady ist freier, entspannter und findet zum ersten Mal in einer Beziehung für sich heraus, was sie eigentlich möchte. Sie findet auch heraus, was sie von mir als Sub eigentlich erwartet. Seit wir so leben, entwickelt meine Lady Regeln, die sie mir auferlegt – und es sind keine Regeln, die man in Büchern und Romanen zum Thema ließt. Auch sind es keine Regeln, die irgendwie erotisch oder sexy sind, sondern Dinge, die meiner Lady im gemeinsamen Alltag wichtig sind. Meine Lady entdeckt sich und entdeckt ihre dominante Seite, die sie immer hatte, die sie aber nie ausleben konnte oder in dieser Gesellschaft ausleben durfte.
In vielen Geschichten zum Thema FLR steht, dass Mann sich gut überlegen soll, ob man einen FLR Vertrag unterschreibt, weil es das letzte sei, was der Mann selber und frei entscheiden dürfe. Was ein Blödsinn sage ich heute.
Jeden Morgen ist es meine Zeremonie aufzustehen, mir eine Kellnerschürze umzulegen, in die Küche zu gehen, meiner Lady Kaffee zu machen und mich dann nackt, mit dem Kaffee vor ihr Bett zu knien und darauf zu warten, dass sie langsam erwacht – sprechen darf ich erst, nachdem sie mir einen guten Morgen gewünscht hat.
Jeden Morgen habe ich die freie Wahl aufzustehen und dieses zu tun. Meine Lady zwingt mich nicht dazu, sie erwartet es von mir, sie erwartet es von ihrem Sub, dass er dies für sie tut.

Und was ist mit Sex und dem ganzen Kopfkino?

Meine Lady kennt mein Kopfkino und wir haben in unserer Beziehung eine Keuschheitsregel – ich darf nur nach Erlaubnis meiner Lady zum Orgasmus kommen – kein Peniskäfig, nur mein Wort und das Versprechen mich an diese Regel zu halten.
Meine Lady würde sofort merken, wenn ich die Regel breche, denn meine Unterwerfung unterscheidet sich je nach Zeit des letzten Orgasmus – so zwischen den 3ten und 7ten bin ich so natürlich unterwürfig, wie ich es an einem Tag mit Orgasmus nie sein könnte.
Meine Lady hat Gefallen an sadistischen BDSM spielen – nicht in direkter Verbindung zu unserer FLR Beziehung, sondern als eigene Session, dann, wenn sie darauf Lust hat. Damit erfüllt sie zum einen meine BDSM Wünsche, aber eben mit Dingen, die sie sich ausdenkt und auf die sie Lust hat – nicht nach einem „Fahrplan“, den ihr Sub aufgestellt hat. Außerdem hat meine Lady gefallen daran gefunden, mich für ihre sexuelle Befriedigung zu gebrauchen, wann, wo und wie es ihr gerade gefällt.
Wenn diese Punkte nicht Anreiz genug sind, jeden Morgen aufzustehen und sich bewusst dafür zu entscheiden ihr den Kaffee nackt ans Bett zu bringen.

Ich bin von der Entwicklung in unserer Beziehung sehr beeindruckt, von meiner eigenen (selbstredend übernehme ich mittlerweile 99% des Haushaltes freiwillig), aber noch viel mehr von der Entwicklung meiner Lady. Mein Kopf hat sich FLR ganz anders vorgestellt und Romane und „Fachbücher“ haben es auch immer anders dargestellt. Ich weiß auch nicht, ob das, was wir machen, jetzt überhaupt dieses „klassische FLR“ ist. Ich weiß nur, dass es uns beiden guttut, dass wir unseren Weg gefunden haben. Ich weiß auch, dass dieser Weg erst am Anfang steht und ich mich überraschen lassen muss, was wann wie weiter passiert – denn die Entscheidung darüber habe ich meiner Lady überlassen.

An alle Subs und Sklaven dort draußen, die sich die Frage stellen, ob ihre Freundin „dominant“ sein kann oder nicht. Lasst euch sagen, dass diese Frage absolut obsolet ist, jede Frau hat eine dominante Seite, die Frage ist, ob Ihr sie wirklich zulassen könnt und ob Ihr eure submissive Seite lebt oder nur denkt, ihr würdet sie leben, weil ihr gerne geschlagen werden wollt?

FLR ist keine 24/7 BDSM Session – FLR ist Liebe und beruht auf Liebe, es ist ein gezieltes Wollen, ein sich gezielt entscheiden.

Wenn man Glück hat, erfüllt euch eure Lady dann auch den Wunsch mal 24/7 gefesselt in den Keller gesperrt zu werden und ihre Pisse aus einem Napf trinken zu müssen, aber das ist nicht die Grundlage von FLR.

An alle suchenden Damen – sucht ihr einen Sexsklaven, dann werdet ihr sicher auf einschlägigen Seiten genügend Liebhaber finden. Wenn ihr einen FLR-Partner sucht, dann sucht nicht nach einem SUB oder einen Sklaven, sucht nach einem Herzmenschen, sucht nach einem Beziehungspartner und macht diesen zu eurem ganz persönlichen Sub, so wie ihr ihn euch vorstellt – das ist meine Definition von FLR.

Autor: SyDo

Fußnote:
Dieser Text ist subjektiv, es ist meine Darstellung meiner FLR Beziehung, es soll niemanden belehren, es nimmt sich nicht so wichtig, dass es anderer Menschen Meinung übertreffen oder verändern will.
FLR ist vielfältig und vielleicht bei der einen oder dem anderen eben doch jene 24/7 BDSM Beziehung, die ich nicht habe.

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